Burka: Für mich ist das kein „Feministinnen-Zoff“

In der Schweiz wird bald über ein Burka-Verbot abgestimmt, eine Initiative, die von rechts kommt. In den letzten Tagen und Wochen gab es in den Sozialen Medien – wieder mal – Debatten zum Thema „Islam-Kritik“. Ich habe mich zu einem spezifischen Punkt geäussert, und wurde heute ungefragt von 20Minuten unter „Feministinnen-Zoff“ zitiert. Hier sind einige Gedanken dazu. Kann geteilt werden. Vielleicht hilft es. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist es wiederum nur kontra-produktiv. Ich weiss es gerade nicht.

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Es ist mir tatsächlich peinlich, dass ich heute schon wieder ausführlich im 20Minuten zitiert werde. Und in der NZZ. Als ob ich dauernd meine Meinung überall herumbrünzeln würde. Was auf Facebook ja teilweise auch so ist, aber bisher war es nicht so, dass das dann quasi automatisch in die Medien gerät. Jetzt weiss ich es und werde das im Kopf haben. Es befremdet mich aber ehrlich gesagt, wie Social Media-Auseinandersetzungen von einigen Medien aufgegriffen und eigenmächtig und ohne Rücksprache kontextualisiert und geframed werden. Vielleicht bin ich aber einfach altmodisch?

Was es von meiner Seite zu sagen gibt: Ich bin definitiv keine „Islam“-Expertin und meine Äusserungen zu El Ghazzalis Interview bezogen sich auf einen einzigen Aspekt. Nämlich auf seine Aussage, dass das Tragen eines Hijab nie ein liberaler Entscheid einer Fraue sein könnte. Ich habe hier aus einer bestimmten feministischen Perspektive argumentiert, nämlich dass das Handeln von Frauen nicht an abstrakten Konzepten (Liberalismus) gemessen werden sollte, sondern konkret bezogen auf die Situation, in der Frauen handeln.

Jetzt werde ich mit diesen Aussagen zu einem angeblichen „Feministinnen-Zoff“ (20Minuten) zitiert, konstruiert wird eine Gegnerschaft – auch zu El Ghazzali – die in dieser Absolutheit nicht stimmt, da ich viele Aussagen von El Ghazzali gar nicht per se falsch finde. Auch der angebliche „Feministinnen-Zoff“ ist eine Konstruktion, denn von einer wirklichen inhaltlichen Beschäftigung und Auseinandersetzung unter den von 20Minuten zitierten Akteurinnen kann keine Rede sein.

Zudem werden hier Leute (unter anderem ich) in diese Debatte gezerrt, die wirklich keine ausgewiesenen Expertinnen auf diesem ganzen komplexen Gebiet sind. Sondern schnelle Meinungen raushauen (ich selber habe mich wie gesagt nur zu einem Teilaspekt geäussert). Dass solche ’schnellen‘ Aussagen dann in Medien zugespitzt und aufgekocht werden, ist überhaupt nicht in meinem Sinn.

Ich habe jüngst mit einer feministischen Mit-Streiterin darüber ausgetauscht, inwiefern nun plötzlich alle Feministinnen unfreiwillig dazu gezwungen sind, „Islam“-Expertinnen zu sein. Feministinnen wird immer öfter jegliche Legitimität abgesprochen, wenn sie nicht auch ganz genau wissen und zu formulieren im Stande sind, was die muslimischen Schwestern brauchen. ‚Nur’ sexistische Werbung oder sexuelle Belästigung oder Lohnungleichheit zu kritisieren, gilt zunehmend als nicht feministisch genug, ja geradezu als ein Verrat am Feminismus, weil andere Frauen schliesslich gesteinigt werden.

Selbstverständlich bin ich für feministische Perspektiven, die transnational und intersektional sind. Ich habe aber den Eindruck, dass sich über dieses Einfordern von Islam-Expertise – unter anderem – eine Art neuer Antifeminismus formiert, eine Art antifeministische Erpressung: ‚Wenn Ihr nicht schwerpunktmässig den Islamismus bekämpft, ist Euer Kampf für die Frauen nicht ernst zu nehmen’. Genau in diese Ecke treibt uns auch die Burka-Abstimmung. Man kann Feministinnen nun immerzu vorwerfen, das ‚eigentliche Ziel’ zu verfehlen.

Ich werde mir gut überlegen, und viele müssen das wohl, wie und ob ich in den kommenden Monaten zu dieser ganzen „Burka“-Sache öffentlich etwas sage. Im Moment weiss ich nicht, wie das weiter gehen soll. Und hoffe vor allem, dass sich hier Menschen mit weitsichtiger Expertise, mit Ausgewogenheit und angemessener Komplexität zu Wort melden – und zu Wort kommen.

Das Problem ist meines Erachtens, dass die kommende Burka-Abstimmung eine Schein-Abstimmung ist, bei der es nicht um die Frage geht, was Frauen brauchen, um ein möglichst emanzipiertes oder freies Leben zu führen. Es geht – hintergründig – um „den Islam“ insgesamt. Darum, „den Islam“ (wie schon bei der Minarett-Initiative), doof oder gut zu finden. Ein unsäglich vulgärer und zerstörerischer Move in einer interkulturellen Gesellschaft. Damit wird die durchaus relevante Frage, wie muslimische Frauen in der Schweiz ein emanzipiertes Leben leben können, überhaupt nicht gestellt. Beziehungsweise sie wird jedes Mal vor die Folie Islam = böse oder Islam = gut gezerrt. Debatten-Teilnehmerinnen werden folglich darauf reduziert – das heisst meine Aussagen können vor diesem Hintergrund nur gelesen werden als: Ich verteidige „den Islam“ oder schlimmer: Islamismus. Und bin gar FÜR die Unterdrückung der Frauen „durch den Islam“.

Solange wir also vor dieser Folie befragt, zitiert, gemessen werden, kann es meines Erachtens gar keinen „Feministinnen-Streit“ geben. Weil alles, was dazu gesagt wird, sofort in diese Pro- oder Anti-Islam-Frage einsortiert wird. Dieses Framing ist aber nicht MEIN Framing, ich sehe mich nicht als TEIL eines solchen „Zoffs“.

Und ja, ich hatte meine Kritik an El Ghazzalis Aussage in einem Blog publiziert. Dies war allerdings NICHT im Rahmen eines „Feministinnen-Zoffs“ und schon gar nicht als Beitrag zum Burka-Verbot oder ‚zum Islam‘. Auch wenn anhand meiner Überlegungen durchaus diskutiert werden kann, inwiefern feministische Perspektiven in dieser Frage auseinander gehen, so finde ich es gleichwohl befremdlich, von einem nicht-feministischen Blatt ungefragt unter „Feministinnen-Zoff“ geführt zu werden. Auch deshalb, weil meine Überlegungen – wenn auch nicht falsch – so doch verkürzt wieder gegeben werden. Nämlich, dass meine Haltung scheinbar da endet, einen „Schleier“ (es wird in der Darstellung auch nicht zwischen Burka und Hijab differenziert) als allgemein selbstbestimmte Sache zu sehen.

Entgegen dieser verkürzten Darstellung verstehe ich aber Verschleierung sehr wohl als ein patriarchales Symbol, oder anders ausgedrückt: ohne patriarchale Geschichte gäbe es den Schleier nicht (das ist jedenfalls meine Einschätzung – wie gesagt bin ich keine Expertin). Ich sehe Verschleierung also durchaus kritisch. Was aber nicht ausschliesst, dass Frauen sich auch selbstbestimmt verschleiern. Oder gute Gründe haben, dies zu tun (auch wenn ich diese vielleicht selber nicht immer nachvollziehen kann).