Notiz zum Nebelspalter: Wenn rechte Positionen mit Witzen salonfähig gemacht werden

Mit dem Nebelspalter gibt es jetzt in der Schweiz ein weiteres Anschauungsbeispiel, mit welchen kommunikativen Strategien rechte oder rechtsextreme Positionen in der gesellschaftlichen Mitte annehmbar gemacht werden – als Humor und mit dem Label „Meinungspluralismus“. Es gäbe natürlich viel mehr zu analysieren, das sind nur einige wenige Aspekte auf die Schnelle:

Eine zentrale rechte Strategie im europäischen Raum war in den vergangenen Jahren, das Bild der Ewiggestrigen abzustreifen (siehe die Politik der Schwedendemokraten aber auch des Front National, der mit seiner Strategie der „Entdiabolisierung“ und Umbenennung in „Rassemblement National“ sich ein zunehmend bürgerliches und poppiges Kleid gab).

Man kann den Versuch, das Image der Ewiggestrigen abzulegen, gut beobachten beim neuen Nebelspalter (etwa Tamara Wernlis Beiträge, und indem man junge liberale Frauen rein holt. Die Rolle der Frauen wäre eine Analyse für sich).

Aus meiner Sicht wird eine Strategie sichtbar, die Markus Somm seit langer Zeit verfolgt:

Somm sagte damals über die BaZ, es gehe ihm lediglich darum, in der Schweiz für mehr Meinungsvielfalt zu sorgen: „Unser Ziel bestand darin, Alternativen aufzuzeigen.“ Deshalb sei es auch gut, so Somm weiter, dass es die eher linke Tageswoche gebe. „Es ist wichtig, dass wir konträre Ansichten haben, dass wir diese pflegen und dass wir darüber streiten. Es geht gar nicht darum, wer hier recht hat. Sondern das Entscheidende ist, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann.“

Mit dem Bekenntnis zum Pluralismus wird inhaltliche Kritik schier unmöglich. Mit der Inszenierung von Meinungsvielfalt kann es keine Abgrenzung mehr geben, keine klare Benennung von menschenverachtenden Positionen, denn alles darf doch zum Meinungspluralismus gehören! Da geht es, so die Botschaft, nicht um links und rechts, sondern – eben – halt um eine Meinung! Und, jetzt neu, ist diese Meinung ein Witz, also sogar nur als Witz gemeint! Ab sofort können jene, die kritisieren, sich an Inhalten stossen, nicht nur als Feinde der freien Meinung und der Demokratie diskreditiert werden, sondern auch noch als unwitzig und humorlos.

In meinem Buch über rechtspopulistische Rhetorik und Propaganda beschreibe ich die Inszenierung von Meinungspluralismus als rechte Strategie unter Punkt 7, und auch die damit verbundene Intention, das Bild der Eweggestrigen abzustreifen (und ich denke, vieles davon zeigt sich jetzt beim neuen Nebelspalter):

7. Strategie: Inszenierung von Meinungspluralismus

In der Regel formulieren Rechtspopulist_innen keine offen rassistischen oder gar neonazistischen Positionen, die als Hetze sanktionierbar wären. Vielmehr argumentieren sie so, dass sie sich gerade noch innerhalb eines akzeptierten (rechtlichen) Rahmens bewegen. Extreme Absichten und Positionen werden verborgen oder so kodiert, dass sie an einen gesellschaftlichen Mainstream-Diskurs andocken können und mit jenen des bürgerlichen Spektrums vereinbar scheinen.

Rechtspopulistische Agitator_innen inszenieren sich als ausgewogen, unideologisch und seriös, indem sie beispielsweise Gäste aus dem konservativen, liberalen oder sogar linken Spektrum zu ihren Veranstaltungen, Podcasts usw. einladen, sie als GastautorInnen anheuern, sie Repliken schreiben lassen oder sie interviewen. Damit produzieren sie ein Bild von Pluralismus, Toleranz, Seriosität, Diskussionsbereitschaft und gesundem Menschenverstand.

Klare Unterscheidungen zwischen rechten, wertkonservativen, rechtsnationalen, rechtsextremen, liberalen oder auch linken Meinungen werden verwischt. Ziel ist es, das Bild der Ewiggestrigen abzustreifen, sich als legitime DiskurspartnerInnen ins Spiel zu bringen und extreme Positionen als gesunden Menschenverstand zu framen, der vermeintlich jenseits von Ideologie steht.

Beinahe scheint es, als habe man sich Thora Ruths Empfehlungen verschrieben, der in den Siebzigerjahren in La Plata Ruf, der rechtsextremen Zeitschrift der Deutschen in Argentinien schrieb:

„Wir müssen unsere Aussagen so gestalten, dass sie nicht mehr ins Klischee der ‹Ewig-Gestrigen› passen. Eine Werbeagentur muss sich auch nach dem Geschmack des Publikums richten und nicht nach dem eigenen. Und wenn kariert Mode ist, darf man sein Produkt nicht mit Pünktchen anpreisen. Der Sinn unserer Aussage muss freilich der gleiche bleiben. Hier sind Zugeständnisse an die Mode zwecklos. In der Fremdarbeiter-Frage etwa erntet man mit der Argumentation ‹Die sollen doch heimgehen› nur verständnisloses Grinsen. Aber welcher Linke würde nicht zustimmen, wenn man fordert: ‹Dem Grosskapital muss verboten werden, nur um des Profits Willen ganze Völkerscharen in Europa zu verschieben. Der Mensch soll nicht zur Arbeit, sondern die Arbeit zum Menschen gebracht werden.› Der Sinn bleibt der gleiche: ‹Fremdarbeiter raus!› Die Reaktion der Zuhörer wird aber grundverschieden sein.“

Ob der neue Nebelspalter erfolgreich sein wird, wird sich zeigen. Bisher war die Schweiz sehr oft Vorreiterin in Sachen rechtspopulistischer Propaganda. Wir sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen, wir sollten dem Nebenspalter aber auch nicht mit zu viel Empörung zu viel Aufmerksamkeit geben. Es wird eine schwierige Gratwanderung sein.